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Thun. In meinem Alter braucht man nicht mehr so viel
Schlaf, wissen Sie? Trotzdem sollten Sie sich zurckziehen.
Immerhin haben Sie alle morgen einen anstrengenden Tag
vor sich.
Er sah uns der Reihe nach an und schien darauf zu war-
ten, dass wir aufspringen und sofort gehorsam in unsere
Zimmer eilen wrden. Als das nicht geschah, wirkte er
enttuscht, vielleicht sogar ein bisschen verrgert.
Vielleicht ist das ja gerade der Grund, aus dem wir nicht
schlafen knnen, antwortete Judith. Wir sind natrlich ...
ein bisschen aufgeregt, wie Sie sicherlich verstehen kn-
nen.
Selbstverstndlich, antwortete von Thun in einem
Ton, der mehr als deutlich machte, dass er uns ganz und gar
nicht verstand. Ich schlage aber trotzdem vor, dass Sie
dieses Mitternachtstreffen beenden und sich zurckziehen.
Sein Blick lste sich von Judiths Gesicht und irrte auf eine
Weise durch den Raum, als suche er nach etwas ganz
Bestimmtem nein, falsch. Er befrchtete, etwas ganz
Bestimmtes zu sehen, was aber offensichtlich nicht
geschah.
Warum eigentlich?, fragte Ellens Blick. Willst du nicht,
dass wir irgendetwas Bestimmtes herausfinden? Sie sprach
diese Worte nicht laut aus, aber den Reaktionen der anderen
nach zu schlieen war ich nicht der Einzige, der sie
irgendwie trotzdem hrte. Vielleicht bewegten sich unsere
Gedanken auch alle in die gleiche Richtung.
Aber es war seltsam: Nicht nur Maria, sondern nach
einem kurzen Moment auch Judith und schlielich sogar Ed
erhoben sich gehorsam von ihren Sthlen, und schlielich
beobachtete ich fast erstaunt, wie ich selbst als Letzter
aufstand, meine Zigarette in den Aschenbecher drckte und
dann auch noch ordentlich meinen Stuhl zurckschob. Von
Thun mochte aussehen wie eine Witzfigur und sich
vermutlich auch ganz bewusst alle Mhe geben, diesen
Eindruck noch durch sein Benehmen zu verstrken , aber
er strahlte eine Autoritt aus, der nicht einmal Ellen etwas
entgegenzusetzen hatte. Vielleicht wollte sie es auch gar
nicht.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, sagte von Thun.
Es steht mir natrlich nicht zu, Ihnen irgendwelche Vor-
schriften zu machen, aber Sie alle brauchen morgen
wirklich einen klaren Kopf. Er suchte einen Moment
sichtlich nach Worten und fuhr mit einem angedeuteten und
alles andere als berzeugend wirkenden Lcheln fort:
Darber hinaus ist es nicht ganz ungefhrlich, sich im
Dunkeln hier im Haus zu bewegen.
Weil uns das Schlossgespenst in den Hintern beien
knnte?, fragte Ed.
Das Gebude befindet sich in keinem besonders guten
Zustand, antwortete von Thun vollkommen ernst. Ich
wrde Ihnen nicht empfehlen, auf eigene Faust auf Erkun-
dung zu gehen. Nicht dass es wirklich gefhrlich wre, aber
man muss ja kein berflssiges Risiko eingehen, nicht
wahr?
Wie zum Beispiel das, uns unbeobachtet zusammen in
einem Zimmer sitzen zu lassen?, flsterte Judith. Hat er
Angst, dass wir irgendetwas herausfinden?
Nein, junge Dame, das habe ich nicht, antwortete von
Thun indigniert. Ich mchte nur nicht, dass Ihnen etwas
zustt. Sie wollen doch den vielleicht wichtigsten Tag
Ihres Lebens nicht mit einem gebrochenen Bein im
Krankenhaus verbringen, oder?
Judith fuhr sichtlich zusammen und auch ich starrte von
Thun einen Herzschlag lang mit offenem Mund an. Judith
hatte geflstert. Sie stand so dicht neben mir, dass ich ihr
Parfm riechen konnte, und trotzdem hatte ich ihre Worte
eher erraten als wirklich verstanden. Von Thun schien
buchstblich Ohren wie ein Luchs zu haben.
So ... so habe ich das auch nicht gemeint, stammelte
Judith. Ich wollte ... eigentlich nur sagen, dass
Vielleicht sollten wir wirklich tun, was Herr von Thun
uns rt, und schlafen gehen, fiel ihr Ellen ins Wort. Wir
sind alle mde und entsprechend gereizt. Ein paar Stunden
Schlaf tun uns sicher gut. Morgen frh sieht die Welt
bestimmt schon ganz anders aus. Sie lchelte ihr uner-
schtterliches Lcheln, whrend sie das sagte, aber der
Blick, mit dem sie Judith streifte, war beinahe beschw-
rend. Vermutlich hatten Ellen die gleichen Worte auf der
Zunge gelegen wie die, die Judith laut ausgesprochen hatte,
aber diesmal gab ich ihr Recht: Irgendetwas stimmte mit
diesem angeblichen Anwaltsgehilfen nicht, aber wir wr-
den es ganz bestimmt nicht herausfinden, solange er dabei
war. Vielleicht waren wir besser beraten, wenn wir folg-
same Kinder waren und brav ins Bett gingen, um uns spter
noch einmal zu treffen, sollte es ntig sein.
Ich wollte wirklich nicht , begann von Thun, schien
dann aber einzusehen, dass er die Situation nur noch
peinlicher machen konnte, und brach mitten im Satz ab. Ed
setzte dazu an, eine seiner berflssigen Bemerkungen
loszuwerden, aber dann fing er im letzten Moment einen
warnenden Blick aus Ellens Augen auf und belie es bei
einem Achselzucken und einem schiefen Grinsen. Statt sich
weiter zum Narren zu machen (falls das berhaupt noch
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